Institut für Aus-, Fort- und Weiterbildung

in der Evangelischen Kirche von Westfalen

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Erfahrungsberichte

Oft ist nichts so hilfreich wie Berichte von ähnlich Betroffenen.

Hier finden Sie Erfahrungsberichte, die allerdings - um Anonymität weitestgehend wahren zu können - nicht nur von Pfarrstelleninhaberinnen und Pfarrstelleninhabern der EKvW erbeten wurden.

Erfahrungsbericht 1

Welche Anzeichen habe ich bei mir wahrgenommen?

  • Der Alkohol- und Nikotinkonsum nahm zu.
  • Ich war leicht und schnell reizbar.
  • Meine Belastbarkeit nahm spürbar ab.
  • Ich wurde immer lustloser. Dinge, die mir früher wichtig waren oder mir Spaß gemacht haben, wie z.B. Gitarre spielen, wurden bedeutungslos.
  • Ich habe soziale Kontakte vernachlässigt.
  • Meine Arbeit hat mir keinen Spaß mehr gemacht und war nur noch Last.

 Was hat mich dazu gebracht, etwas zu unternehmen?

  • In erster Linie hat mich meine Frau dazu bewegt, zum Arzt zu gehen.
  • Einen weiteren Anstoß bekam ich durch den Tod von Robert Enke und der Pressekonferenz seiner Frau, nach dessen Suizid. In vielem, was sie schilderte, erkannte ich meine eigene Krankheitsgeschichte. Um nicht wie Enke vor dem Zug zu enden, habe ich mich letztendlich entschlossen, in eine Tagesklinik zu gehen.

Welche Schritte bin ich gegangen?

  • Ich bin als erstes zu meiner Hausärztin gegangen, die mich an einen Therapeuten überwiesen hat.
  • Ich bin dann über ein halbes Jahr lang wöchentlich zu einer tiefenpsychologischen Therapie gegangen. Ich habe aber gemerkt, dass diese Therapie meine aktuelle Situation nicht zufriedenstellend verbessert.
  • Ein siebenwöchiger Aufenthalt in einer Tagesklinik, in der u.a. verhaltenstherapeutisch mit mir gearbeitet wurde, brachte schließlich die Wende.
  • Nach dem Klinikaufenthalt habe ich die tiefenpsychologische Therapie fortgesetzt. Zudem habe ich sowohl beruflich als auch privat ganz konkret Dinge verändert.

Was war hilfreich - und was auch nicht?

  • Mit am entscheidendsten für meinen Therapieerfolg sehe ich die Offenheit, mit der ich mit meiner Erkrankung umgegangen bin und weiterhin umgehe. Eine Depression (ein Burn-Out ist letztendlich nichts anderes, als eine Depression. Burn-Out ist jedoch ein aus meiner Sicht verharmlosender Begriff für diese Krankheit) ist letztendlich eine Krankheit wie jede andere auch. Jedenfalls sehe ich das so und gehe entsprechend damit um. Das hat mir auch ganz persönlich geholfen, der Krankheit ihren Schrecken zu nehmen!
  • Meine Frau und meine Tochter haben mich mit viel Verständnis unterstützt und getragen.
  • Der Kirchenkreis, vor allem der damalige Superintendent, hat mir die Möglichkeit gegeben, mich auch beruflich zu verändern. Sowohl die Möglichkeit, die Doppelbelastung mit synodalen Aufgaben aufgeben zu können, als auch die Möglichkeit der Stundenreduzierung haben mir sehr geholfen.
  • Ich bin mir bewusst, dass ich immer wieder neu in eine depressive Episode rutschen kann. Deshalb Ich achte heute sehr bewusst auf mich und meinen Körper.

Was würde ich aus meiner Sicht/von heute aus betroffenen Kolleginnen und Kollegen raten?

  • Am wichtigsten ist es, sich selber einzugestehen, dass man krank ist und Hilfe braucht. Diese Erkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung.
  • Ebenso wichtig ist es aus meiner Sicht, offen mit der Krankheit umzugehen (s.o.).
  • Ohne professionelle Hilfe kommt man nur schwer oder gar nicht aus einer depressiven Episode heraus. Wenn ich eine Grippe habe, gehe ich zum Arzt. Entsprechend sollte es auch bei einer Depression sein.
  • Eine Depression hat nichts mit Schwäche oder Scheitern zu tun. Es kann jeden treffen und ist keine Schande oder etwas, wofür man sich schämen muss!

 

Erfahrungsbericht 2

Welche Anzeichen habe ich bei mir wahrgenommen?

Erste Anzeichen habe ich schon 1 Jahr vor dem endgültigen Zusammenbruch festgestellt. So war ich z. B. im Urlaub, hatte mich in der Zeit auch gut erholt, und als ich zurückkam, konnte ich nicht mehr arbeiten. Es war nicht die übliche Unlust nach dem Urlaub, sondern das Gefühl einfach nicht mehr zu können und zu wollen. Dieses Gefühl trat dann 1 Jahr lang immer wieder auf, unterbrochen von kurzen Phasen, in denen es mir besser ging. Andererseits funktionierte ich nach außen gut, erledigte meine Arbeit, aber wenn ich keine Termine wahrzunehmen hatte, konnte ich kaum noch aufstehen. Für Freunde, Familie, Privatleben war überhaupt keine Energie mehr da.

Was hat mich dazu gebracht, etwas zu unternehmen?

Nach einem Jahr war für mich deutlich, dass ich etwas unternehmen müsste. Meine innere Verfassung wurde immer schlechter, es fiel mir aber auch schwer, dies vor anderen Menschen zuzugeben. Auch die Vertröstungen von anderen, in der Gemeinde würden wieder leichtere Zeiten kommen und Umstrukturierungen erfordern nun mal viel Kraft, machten mir nur deutlich: Ich kann nicht mehr!

Welche Schritte bin ich gegangen?

Ich habe zunächst meine Hausärztin aufgesucht, die einen Klinikaufenthalt vorschlug und diesen beantragte.

Nach dem die Krankenkasse dies zunächst ablehnte und eine ambulante Therapie forderte, hat sie mich an einen Facharzt überwiesen.

Dieser hat mich sofort arbeitsunfähig geschrieben und eine medikamentöse Therapie begonnen.

Nach einigem Hin und Her wurde der Klinikaufenthalt genehmigt, ich musste dann aber 6 Wochen auf einen Platz warten.

Ich war 9 Wochen in einer Klinik und wurde entlassen mit der Angabe, dass ich noch mind. 6 Monate arbeitsunfähig sei und nicht in meine alte Stelle zurückkehren soll.

An den Klinikaufenthalt schloss sich eine ambulante Therapie an.

In der Zeit der Arbeitsunfähigkeit versuchte ich, einen Stellenwechsel zu organisieren und nahm Kontakt zur Landeskirche auf. Dies ist bis heute nicht gelungen, so dass ich in meine alte Stelle zurückgekehrt bin.

Was war hilfreich – und was auch nicht?

Sehr hilfreich war der Klinikaufenthalt. Geplant waren 3 Wochen, es sind dann 9 daraus geworden. In dieser Zeit konnte ich Abstand gewinnen von allen belastenden Umständen und neue Perspektiven erarbeiten.

Hilfreich war mein privates Umfeld, dass mich gerade in den 6 Monaten nach dem Klinikaufenthalt sehr unterstützt hat und eine Gemeinde, die akzeptierte, dass ich nicht arbeiten konnte und mir Zeit gegönnt hat, obwohl ich im Pfarrhaus lebe.

Hilfreich waren besonders in der Zeit der Rückkehr Gespräche mit Menschen, die gleiches erlebt hatten und ihre Erfahrungen mit mir teilten und mir Mut machten.

Die Menschen in der Gemeinde haben mir die Rückkehr sehr leicht gemacht. Sie haben sich gefreut und mich in der ersten Zeit sehr unterstützt. In der langen Zeit der Krankheit hatten ehrenamtliche MitarbeiterInnen vieles übernommen, manche Aufgabe auch dauerhat.

Nicht hilfreich war in der ganzen Zeit die Kirche als Arbeitgeber. Außer einer Karte des Superintendenten zu Beginn der Erkrankung, gab es kein Zeichen der Anteilnahme. Außerdem wurde trotz eines ärztlichen Attestes, dass ich für eine Zeit nicht in der Gemeinde arbeiten sollte, eine Abberufung/Versetzung abgelehnt. Bis heute arbeite ich in meiner alten Stelle, das war, besonders im ersten Jahr, ein harter Weg, zumal es zwar nicht in der Gemeinde aber im Kollegenkreis ein starke Stigmatisierung „Nicht mehr Belastbar“ gab.

Was würde ich aus meiner Sicht/von heute aus betroffenen Kolleginnen und Kollegen raten?

Ich würde ihnen raten, sich früh Hilfe zu holen und nicht so lange zu warten. Vernetzung mit anderen Betroffenen kann helfen, Tipps und Hinweise zu bekommen. Ich rate den Betroffenen, gut für sich zu sorgen, auch gegen Widerstände.

Was ich mir wünsche im Umgang mit Burn-Out

Ich wünsche heute Betroffenen, dass sie mehr Hilfe von Seiten der Kirchenleitung erfahren. Erste Anzeichen hierfür hat es in den letzten Jahren gegeben. Ich wünsche mir auch, dass sich die Erkenntnis durchsetzt, dass Menschen, die an einem Burnout erkrankt waren, wichtige Erfahrungen für ihr Leben gemacht haben. Dies kann in der kirchlichen Arbeit auch ein Schatz sein, in einer Gesellschaft, die immer mehr Menschen überlastet und überfordert. Innerkirchlich erfahre ich leider nur die Stigmatisierung, doch nicht richtig belastbar zu sein. Wie gut ist es, mit den eigenen Grenzen leben zu können und auch die Grenzen anderer zu akzeptieren.